Kein Grund zur Entwarnung – Rechtsstaat besser als sein Ruf
[Artikel aus der SüdPost N° 5]
Wie jedes Jahr wurde auch diesen Monat die Veröffentlichung der neuen Polizeilichen Kriminalstatistik 2015 (PKS) mit großem Interesse verfolgt. Grund für uns auch im Landtag ausführlich darüber zu diskutieren. Die Ergebnisse sind dabei allerdings ambivalent: So ist die Gesamtkriminalität gesunken und die Aufklärungsquote gestiegen. Allerdings erfasst das noch nicht die ganze Kriminalität im Freistaat.
Die PKS zeigt nur die Kriminalität, die der Polizei auch bekannt wird. Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Zum einen gibt es Kontrolldelikte, die nur bekannt werden, wenn die Polizei intensiv kontrolliert, und zum anderen Anzeigedelikte, die davon abhängig sind, wie das Anzeigeverhalten in der Bevölkerung ist. Deshalb ist die Tatsache, dass es weniger Straftaten im letzten Jahr gab, noch kein Grund zur Entwarnung, sondern eher ein Zeichen für die hohe Belastung innerhalb der sächsischen Polizei und für die Polizeibeamten.
Es wurden weniger Kontrolldelikte, zum Beispiel Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, festgestellt. Das lässt auf weniger Kontrollen aufgrund der chronischen Unterbesetzung der sächsischen Polizei schließen. Gleichzeitig – so die allgemeine Erfahrung – warten die Anzeige Erstattenden bei einfachen Diebstahlsdelikten wie Kellereinbrüchen mitunter drei bis fünf Stunden, bis die Polizei kommt. Allerdings spricht die Steigerung der Aufklärungsquote für eine gute Qualität der polizeilichen Arbeit, für die ich angesichts der hohen Belastungssituation wirklich dankbar bin.
Die größten Sorgen mache ich mir mit Blick auf die Statistik beim Anstieg der Gewaltkriminalität im Freistaat Sachsen. Insbesondere politisch motivierter Kriminalität müssen wir Einhalt gebieten, unerheblich welcher politischen Couleur. Der Schwerpunkt liegt dennoch deutlich auf der rechtsmotivierten Seite. Wir haben in Sachsen im letzten Jahr eine Verdopplung rechtsmotivierter Gewaltdelikte und eine Vervierfachung von Angriffen auf Asylunterkünfte zu verzeichnen. Die gestiegene Aufklärungsquote ist dabei nur ein geringer Trost.
Bleibt der Rechtsstaat hinter seinen Möglichkeiten zurück?
Das nach wie vor verbreitete Gefühl, der Rechtsstaat agiere kraftlos und unter seinen Möglichkeiten, teile ich indes nicht. Viele sahen ihre Verunsicherung nach dem Einsatz des Bundeskriminalamtes und der GSG 9 in Freital bestätigt. Dies wurde noch befeuert durch einen Artikel auf Spiegel-Online, der nahelegte, die Polizei habe im Vorfeld Informationen zu Übergriffen der terroristischen Gruppierung gehabt und nicht eingegriffen. Im Rahmen einer eigens dafür anberaumten Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses im Landtag am 28. April wurden die Hintergründe zwischen den Abgeordneten und den Sicherheitsbehörden eingehend erörtert. Danach konnte ich feststellen: An den Vorwürfen ist nichts dran! Weder hatte die Polizei im Vorfeld rechtsterroristischer Anschläge Informationen, die geholfen hätten, diese zu verhindern. Noch gab es einen ominösen ‚verdeckten Ermittler‘ in Freital. Es handelte sich um einen anonymen Zeugen, der bei der Polizei ausgesagt hat.
Ganz im Gegenteil muss hier ganz klar die positive Rolle unserer Ermittlungsbehörden betont werden. Erst die Arbeit des Operativen Abwehrzentrums und der gemeinsamen Ermittlungseinheit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei (INES PMK) haben die Grundlage geschaffen, dass der Generalbundesanwalt das Verfahren übernehmen konnte. Der konkreten Übernahme ging eine monatelange Zusammenarbeit zwischen dem Bund und dem Freistaat Sachsen voraus.
Auch wenn der Rechtsstaat in Sachsen weit besser ist als sein derzeitiger Ruf, müssen alle Beteiligten daran arbeiten, nicht alte Fehler erneut zu begehen. So etwas wie den NSU darf es nie wieder geben.
Die Landtagsdebatte zum Thema finden sie hier: www.landtag.sachsen.de/de/aktuelles/videoarchiv/sitzung/862/2/27166?page=1