Albrecht Pallas, Sprecher für Innenpolitik der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag, zum Versammlungsgeschehen in Leipzig:
+++ Chaoten missbrauchen Versammlungsrecht +++ Staat darf sich von Coronaleugnern nicht auf Nase herumtanzen lassen +++ SPD will Sondersitzung des Innenausschusses zur Auswertung des Einsatzes +++
„Der heutige Tag in Leipzig hat gezeigt, dass die sogenannten Querdenker gefährliche Rechtsbrecher sind, die zusätzlich noch von gewaltbereiten Faschisten durchsetzt sind. So ging von einigen Teilnehmern Gewalt aus, die sich gegen die Polizei, gegen Journalisten und die Teilnehmer an anderen Versammlungen richtete. Die von der Versammlungsbehörde angeordneten Mindestabstände und die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wurden durch über 90 Prozent der Teilnehmer nicht erfüllt. Chaoten missbrauchten das Versammlungsrecht und gefährdeten tausende Menschen in Leipzig und nicht zuletzt die Einsatzkräfte. Deshalb danke ich den eingesetzten Kräften der Polizei, der Stadt Leipzig, aber auch der Hilfsorganisationen und den Journalisten für ihre heute teils gefährliche Arbeit.
Es ist in Ordnung, über die Infektionsschutz-Maßnahmen zu diskutieren, seine Meinung dazu zu äußern und auch sich zu versammeln. Aber es gibt Regeln, die gelten für alle. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass sich manche über andere stellen. Mir fehlt jedes Verständnis dafür, dass über 20.000 Menschen aus ganz Deutschland mit Ansage gegen Regeln zum Schutz anderer verstoßen. Mir fehlt das Verständnis dafür gerade deshalb, weil gleichzeitig ganze Berufsgruppen nicht arbeiten können, sich die Mehrheit der Gesellschaft solidarisch an die Corona-Regeln hält und in den hochbelasteten Krankenhäusern Ärzte und Pfleger um Menschenleben kämpfen. Die Querdenken-Demo war egoistisch, verantwortungslos und sehr gefährlich.
Die Versammlungsfreiheit gilt auch in der Pandemie. Aber sie muss in ein angemessenes Verhältnis zum Schutz für Leben und Gesundheit von Tausenden gesetzt werden. Versammlungsfreiheit bedingt auch Verantwortung gegenüber den Mitmenschen und ihren Grundrechten. Deshalb ist der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) von letzter Nacht um so unverständlicher. Die Befürchtungen der Stadt Leipzig haben sich bestätigt. Es gab seitens der Querdenken-Versammlung keine Bereitschaft, sich an Regeln zu halten. Dies war absehbar, weshalb die Großdemonstration eigentlich an die Neue Messe verlegt werden sollte. Unverständlich ist auch, weshalb das OVG der Öffentlichkeit keinerlei Begründung geliefert, sondern nur einen Beschluss per Pressemitteilung veröffentlicht hat. Wir können nur hoffen, dass die Gerichte bei zukünftigen Entscheidungen die heutigen Erfahrungen berücksichtigen.
Stadt Leipzig und Polizei waren zunächst eng an diese Entscheidung vom OVG gebunden. Sie mussten versuchen, die Versammlung auf dem Augustusplatz zu ermöglichen und die Auflagen durchzusetzen. Aber Infektionsschutz-Maßnahmen gelten für alle, egal ob man sein Recht auf Versammlungsfreiheit ausübt oder nicht. Ich frage mich, warum bis dahin nicht direkt gegen Verstöße vorgegangen wurde. Die spätere Auflösung der Versammlung und Platzverweise gegen die Teilnehmenden war hingegen konsequent. Dass allerdings ein Großteil der sogenannten Querdenker später doch um den Ring laufen konnte, ist nicht akzeptabel. Der Staat hat sich von Coronaleugnern auf der Nase herumtanzen lassen.
Es bleiben aus Sicht der SPD noch Fragen zum Einsatz offen: Warum wurden Auflagen nicht durchgesetzt? Wieso konnte eine nicht angemeldete, Demonstration um den Ring laufen, obwohl Aufzüge generell untersagt sind und auch von keinem Gericht genehmigt wurden? Wie wurde nach den Erfahrungen mit den Corona-Leugner-Demos in Berlin und Dresden der Einsatz vorbereitet?
Der Innenausschuss des Landtags muss sich zügig in einer Sondersitzung mit den Planungen und der Durchführung des Polizeieinsatzes befassen.“