[Interview in der SüdPost N° 7]
Im Interview: Norbert Rost, Leiter des Projektes „Zukunftsstadt Dresden 2030+“
Albrecht Pallas: Zukunftsstadt 2030+. Das klingt ein wenig nach Science-Fiction. Was können wir uns darunter vorstellen Herr Rost?
Norbert Rost: Die Zukunftsstadt ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, das 51 Städte in Deutschland fördert. Dresden ist eine von ihnen. Mithilfe verschiedenster Formen von Bürgerbeteiligung wurde in den vergangenen Monaten eine Vision vom Dresden der Zukunft erstellt.
Wer zum Beispiel am 8. Oktober letzten Jahres mit der Straßenbahnlinie 2 oder 7 gefahren ist, konnte viele kleine bunte Zettel an den Scheiben sehen. Dresdner Bürgerinnen und Bürger hatten an diesem Tag auf über 700 Memos ihre Wünsche für die Zukunft Dresdens formuliert. Daraufhin führte die Stadt über 20 Workshops, so genannte „Bar Camps“ durch. Menschen aus verschiedensten Teilen der Gesellschaft diskutierten dort zum Beispiel zum Thema Zukunftscampus. Dabei entstanden 70 gezeichnete Blätter, die ich anschließend in einem Schaubild konzentriert habe.
Albrecht Pallas: Dabei sind sicherlich ganz unterschiedliche Ideen und Wünsche aufgekommen. Wie haben Sie die alle zusammengefasst? Und noch spannender; wie stellen sich denn die Bürgerinnen und Bürger Dresdens unser Stadt in 15 Jahren vor?
Norbert Rost: Wir haben die Ergebnisse in einem Schaubild zusammengefasst, welches in fünf Ebenen aufgeteilt ist. Daraus gehen dann verschiedene Handlungsfelder hervor.
Als Erstes wünschen sich die Dresdner eine Kultur des respektvollen Miteinanders, welche die Selbstverantwortung eines jeden Einzelnen stärkt. Zweitens geht es darum, mit nachbarschaftlicher Verantwortung das Miteinander in den Stadtteilen anzuregen. Die regionale Verantwortung der Stadt soll drittens dazu führen, dass in Krisensituationen vereinte Kräfte mobilisiert werden können. Als Viertes soll Dresden mit seiner gesellschaftlichen Verantwortung kreative Beteiligungsformen etablieren. Zuletzt auf der fünften Ebene geht es darum, mit der globalen Verantwortung der Stadt nachhaltiges Handeln zu fördern.
Albrecht Pallas: Also von der Eigenverantwortung der Bürger bis hin zur Rolle Dresdens in der Welt. Da müssen ja viele Köpfe geraucht haben. Wer hat denn da mitdiskutiert? Wie wurden die Leute angesprochen und eingeladen?
Norbert Rost: Wir haben für jedes Thema bestimmte Gastgeber gesucht. Von denen abhängig wurden dann Räumlichkeiten gewählt und Institutionen sowie Einzelpersonen aus dem Umfeld der Gastgeberinstitution angesprochen. Zusätzlich kündigten wir Termine über die Presse an.
Leider fehlte eine breite Werbung seitens der Stadt für die allgemeine Öffentlichkeit. Damit hätten wir sicher noch mehr Menschen für unser Projekt begeistern können.
Albrecht Pallas: Das wäre natürlich toll gewesen. Aber dennoch haben ja einige Bürgerinnen und Bürger an den Diskussionen teilgenommen. Was denken Sie, wie wurde das Projekt „Zukunftsstadt 2030+“ im Allgemeinen angenommen? Standen die Menschen dem Konzept offen gegenüber? Und was hat das Projekt in der Stadtgesellschaft verändert?
Norbert Rost: Ich habe den Eindruck, dass innerhalb Dresdens zu selten thematisiert wird, wo wir als Stadt hinwollen, auch um sich daran zu reiben. Es fehlt eine offene Diskussionskultur. Das zeigte sich zum Beispiel bei der Memo-Aktion in der Straßenbahn. Manche forderten auf den kleinen Zetteln einfach ihre Ruhe oder Frieden in der Stadt. Die Stadt hat sich im letzten Jahr zwar politisiert, aber da geht noch mehr.
Dabei sollten sich die Bürger viel mehr trauen, ihre Beteiligung und ihr Recht auf Diskussion einzufordern.
Albrecht Pallas: Wie stellen Sie sich das vor?
Norbert Rost: Nun einerseits sollten Bürgerinnen und Bürger ihre bisherigen Möglichkeiten nutzen, zu Ortsbeiräten gehen, Petitionen schreiben, auch mal Guerilla-Aktionen durchführen.
Ich lade die Menschen in Dresden auch herzlich ein, die bisherigen Ergebnisse zu nutzen und zu verwenden für die weitere Diskussion. Solche Workshops können wiederholt werden. Die Konzepte stehen bereit.
Albrecht Pallas: Das Angebot nehmen wir gern an! Richten wir den Blick aber kurz weg von den Bürgern hin zur Verwaltung. Welche Rolle spielt die bei dem Projekt?
Norbert Rost: Zugegeben auf Ebene der Stadtverwaltung bedarf es einiger Impulse. Nehmen wir zum Beispiel das große Feld Bürgerbeteiligung. Das Interesse der Leute sich einzubringen ist da. Leider sind Verwaltungen oft eher abgeschreckt von Beteiligungsformen. Hier müssen Mittler die Hürden zwischen Bürgern und Verwaltung aufheben.
Außerdem fehlt der Stadt ein Methodenkoffer für Beteiligungsformen, den sie anwenden kann. Bisher funktionierte Beteiligung nach dem try and error Prinzip.
Wir müssen versuchen Vertrauen auf beiden Seiten aufzubauen. Das kostet Zeit, ist aber möglich und wichtig.
Albrecht Pallas: Wie geht es nun weiter mit der Zukunftsstadt? Wird es weitere Veranstaltungen und Diskussionsforen geben?
Norbert Rost:
Nach der Abschlussveranstaltung am 21. Mai ist die erste Phase des Projektes abgeschlossen. Danach heißt es, erneut bewerben und hoffen, dass Dresden weiterhin eine Förderung erhält. In den nächsten beiden Phasen würde die Ideen dann ausgebaut und einige schließlich in einem Reallabor getestet.
Die bisherigen Ergebnisse sind alle online einsehbar. Zugegeben, es wirkt alles noch sehr abstrakt und komplex. Die nächste Herausforderung liegt darin, die Ergebnisse auf verständliche Art und Weise an die Öffentlichkeit zu kommunizieren. Ich würde mich freuen, wenn die Dresdner Bürgerinnen und Bürger auch zukünftig über ihre Stadt diskutieren. Wenn sie sich sagen „Wir sind ja die Stadt. Wir leben ja nicht nur hier“ und sie deshalb ihre Stadt aktiv mitgestalten.
Anmerkung der Redaktion: In einer Pressemitteilung vom 14. Juli gab die Stadt Dresden bekannt, auch für die zweite Phase des Projektes eine Förderung des BMBF zu erhalten. Die bisherigen Ergebnisse finden Sie unter: www.dresden.de/zukunftsstadt